Die große Zeit der Wende oder Lambrusco schmeckt zur Pizza
Die große Zeit der Wende ist gekommen. Jedes leise Tick und jedes zarte Tack rückt die Zeiger vor. Alle sehen die Zeit. Alle spüren sie. Die Zeit versteckt sich nie. Und doch verleugnen die Menschen, was nicht zu leugnen ist: Die große Zeit der Wende ist gekommen. Ein Entrinnen gibt es nicht. Was geschieht?
Nichts! Zumindest nichts, das laut und krachend ins Leben aller einbricht. Kein historisches Ereignis trägt sich zu, das mit Macht den gewohnten Alltag neu bestimmt. Weder der Mond noch die Sonne stürzen auf die Erde. Kein riesiger Komet schlägt ein. Die Prophetinnen des Untergangs erweisen sich allenfalls als geschickte Regisseurinnen trickreich inszenierter Katastrophenfilme zur gefälligen Unterhaltung im gut gepolsterten Sessel.
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Die Zeit der Wende duftet nach Pizza
Das Kino schlägt die Schlacht von Armageddon im Weltall, wo Sprüche klopfende Superheldinnen den heranrasenden Asteroiden mit Atombomben sprengen. Schleimige Außerirdische versprühen grüne Strahlen über brennende Städte. Doch nimmt die tödliche Märchenwelt stets ein gutes Ende, wie es von einem schönen Märchen zu erwarten ist. Die Welt liegt sehr wohl in Trümmern, aber den Heldinnen gehört der letzte Sieg.
Die Türen des Lichtspieltheaters öffnen sich. Noch immer bangend strömt das Publikum zur Hintertür hinaus. Und siehe da: Die Häuser draußen stehen so aufrecht wie zuvor. Keine Verwüstungen sind zu sehen. Nirgendwo. Grün blaues Licht scheint durch ein Fenster, der Feierabend sieht fern. Autos leuchten durch die Nacht. Ein Betrunkener wankt über das Trottoir, eine Obdachlose schiebt den Einkaufswagen mit ihren Habseligkeiten in die Grünanlage. Die Stadt sieht aus wie eh und je. „Komm, wir gehen eine Pizza essen!“
Lieber eine Tutto oder doch die Vierjahreszeiten? Leonhard nimmt eine Diavolo, Sophie wählt die Margherita. Carlos und Anne bestellen beide eine Tutto. Aber bitte mit extra Käse. Alle lassen sich gerne die große Karaffe vom guten Lambrusco kredenzen. Das Original aus der Emilia-Romagna ist heute das Angebot des Abends. Das hat Luigi in eleganter Schönschrift mit weißer Kreide auf die Tafel neben der rustikalen Theke geschrieben.
Auf Luigi ist Verlass. An ihm zweifelt niemand in der fröhlichen Runde. Seit Jahrzehnten lebt er mit seiner Familie in dieser Stadt und betreibt sein Ristorante Italiano. Schon ihre Väter und Mütter kehrten bei ihm ein. Sie glauben an die Qualität des Weins und der Speisen. Schließlich ist Luigi ein ehrlicher, hart arbeitender Mann aus Palermo, den alle kennen.
Es ist eine wahre Freude anzuschauen, wie Luigi mit tausendfach geübter Eleganz die vier Karaffen auf dem Tablett heran balanciert. Ebenso flink und geschickt serviert der Sizilianer den Lambrusco. Der rote Wein verkürzt angenehm das Warten auf die Pizza. Mehr noch! Der edle Rebensaft wandelt diese Zeit in jene heitere Viertelstunde, welche das Beisammensein in Luigis Ristorante erst zum Feuerwerk des Genusses steigert.
Sophie sieht den Bläschen zu, die wie Perlen an einer Schnur gezogen vom Boden ihres Weinglases bis zur Oberfläche ziehen. Sie fasst das Glas am Stil und hält es gegen das warme, leicht gedimmte Licht des Leuchters über dem eingedeckten Tisch. Dann führt sie den Wein feierlich zum Mund, nimmt vorsichtig den ersten Schluck. Auch die anderen ergreifen das Glas und tun es ihr nach. Prost!
„Kann das wirklich passieren?“, fragt Anne nachdenklich. „Was meinst du?“, gibt Sophie lächelnd zurück, während ihre schmalen Hände den schlanken Stil ihres Glases locker umschließen. Sophie setzt zur Antwort an, doch ihr Ehemann Leonhard kommt ihr zuvor. „Die Sophie glaubt wirklich, dass bald ein Asteroid auf der Erde einschlagen wird, oder dass ein Krieg ausbricht und eine Seuche das Land verödet. Sie fürchtet sich vorm Weltuntergang!“ Alle lachen: „Ach, das passiert schon nicht. Und wenn schon, dann ist eben auf einen Schlag alles vorbei.“ Nur Sophie lacht nicht. Sie schaut weiter mit nachdenklich in den Lambrusco.
Leonhard leert sein Glas in einem Zug. Dann leckt er die Unterlippe und schenkt sich aus der Karaffe schwappend nach. „Trink‘ nicht so schnell“, mahnt Sophie. „Den Lambrusco musst du langsam und zum Essen trinken. Lass‘ dir lieber Zeit. Sonst bist du bald besoffen.“ Er tut so, als hätte er Sophies Worte überhört. Dann nimmt Leonhard noch einen tiefen Zug. Sophie schweigt jetzt, spricht ihn nicht mehr an. Statt dessen sieht sie Hilfe suchend hinüber zu Anne, die gegenüber in der Bank neben Leonhard sitzt.
Sophies Ehemann lehnt sich lässig grinsend zurück. Dabei breitet er seine Arme nach links und rechts über der Kante der Rückenlehne aus, wo der rechte Arm hinter Annes Nacken zu liegen kommt. Leonhards linker Unterarm ragt in den Gastraum hinein. Das weiße Hemd spannt über der muskulösen Brust, doch die Knöpfe halten gegen die blähende Manneskraft. Gleichwohl zeichnet ein unwillkommenes Rot seinen schimmernden Fleck ins Weiß. Leonhards gieriger Trunk hat lose gesabbert. Sophie und Carlos schauen wortlos auf die rote Peinlichkeit.
Obwohl ohne Berührung, fühlt Anne die zuckende Nähe von Leonhards rechtem Arm. Sie rückt so weit wie möglich vor, stützt die Ellbogen auf den Tisch und faltet die Hände über dem Lambrusco. Aber Anne betet nicht. Sie spannt die Muskeln bis zum Krampf, zieht die Schultern hoch nach oben, sieht kleiner und schmäler aus als sie ist. Ein schüchternes Mädchen sitzt da. Leonhards körperliche Macht schrumpft die Frau zur kindlichen Erscheinung. Der deodorierte Geruch seines Achselschweißes treibt durch ihre Nase.
Noch bleibt Zeit für eine Zigarette vor der Tür
Anne dreht sich von Leonhard weg und kramt Papiertaschentücher aus der Tasche. Dann schnäuzt sie kräftig, bevor sie Sophie auffordert: „Komm wir gehen schnell eine rauchen!“ Sophie stimmt bereitwillig zu, legt zur Sicherheit einen Bierdeckel über den Lambrusco und erhebt sich von ihrem Platz. Der sich noch immer spreizende Leonhard raunzt: „Ich dachte, du rauchst nicht mehr?“
Widerwillig verlässt auch Leonhard seien Platz, damit Anne aus der Sitzbank klettert. Die Frauen nehmen ihre Jacken von der Garderobe, werfen sie über und verlassen den Gastraum durch die Eingangstür. Draußen ist der Himmel klar und kalt. Die das fahle Licht der Mondsichel streitet aufbegehrend gegen die Laternen und die bunte Leuchtreklame des Spielsalons auf der anderen Straßenseite. Alles in LED, weil es heller ist. Die Schlacht ist verloren. Der Mond muss untergehen, er ist nicht frei zu bleiben. „Die große Zeit Wende ist gekommen“, flüstert Sophie dem Mond ins vertraute Ohr.
Drinnen sitzen die Männer. Im Holzofen brodelt der Käse auf der Pizza, zerfließt als beige schimmernde Lava um Inseln aus Pilzen, Hackfleisch und Salami. Schon zieht der Duft aus der italienischen Küche in den Gastraum. Aus beider Gaumen strömt bereits der Speichel, den die Männer ungeduldig runter schlucken. Es naht der Augenblick, da Luigi mit den dampfenden Pizzen um die Ecke kommt. Er wird zuerst den Frauen servieren, dann den Männern. Der galante Italiener liebt die Geste des Respekts und der Höflichkeit.
„Habt ihr Streit?“, fragt Carlos. „Nein, nein! Wir streiten nicht“, versichert Leonhard eilig. „Es ist nur so: Sophie benimmt sich seit einiger Zeit so merkwürdig. Nachts schreckt sie aus dem Schlaf, weil sie schlecht träumt. Sie meint, schon am nächsten Morgen könnte alles anders sein. Die große Zeit der Wende sei gekommen. Sie spüre es deutlich, da sei etwas unerklärliches im Gange.“ Leonhard tippt mit dem rechten Zeigefinger an die Schläfe.
„Es kann natürlich sein, Sophie wird depressiv. Vielleicht ist sie zu oft alleine und grübelt zu viel. Aber das unterschwellige Gefühl der Angst ist allgemein weit verbreitet. Böse Vorahnungen befallen in dieser Zeit so viele Menschen. Vor allem die Empfindsamen spüren, dass etwas falsch läuft, dass etwas nicht mehr stimmt“, meint Carlos. Leonhard lehnt sich wieder zurück. Diesmal verschränkt er die Arme vor der Brust. Unter seiner gefalteten Stirn starren nervöse Augen angestrengt auf den Lambrusco.
„Depressiv? Nein, so unglücklich kann Sophie doch gar nicht sein. Unser Haus ist wirklich groß und erlesen eingerichtet. Erst im Sommer habe ich den Pavillon mit der Außenküche neben den Pool bauen lassen, wo wir unsere Partys feiern. Sophie hat einen eigenen Elektro-SUV. Sie hat Geld und kann kaufen was immer sie will. Sogar ihr persönlicher Fitnesstrainer kommt ins Haus. Sophie depressiv? Ausgeschlossen. Unmöglich. Es ist nur die fixe Idee vom Untergang der Welt und von der großen Zeit der Wende. Die macht sie verrückt!“
Carlos nippt indessen nachdenklich am Lambrusco. Nur ein winziger Schluck verlässt das Glas. Gerade genug, um das leichte Moussieren auf der Zunge zu genießen. Vorsichtig stellt Carlos das Glas auf den Tisch zurück. Dennoch schafft es ein frecher, kleiner Tropfen über den Rand und sucht seinen Weg nach unten. Doch dieser Tropfen kommt nicht an. Was wäre auch sein Ziel gewesen? Carlos tupft ihn zuvor mit der Serviette ab. So erwartet wie plötzlich schreitet Luigi mit zwei Pizzen auf dem rechten Arm heran, trägt eine Margherita und eine Tutto zu Tisch. Wie erwartet serviert der brave Sizilianer zuerst am Platz der Damen.
Die Wende in der Sitzordnung
„Komm‘ Leonhard, lass‘ uns rasch die Plätze tauschen. Dann musst du nicht gleich wieder aufstehen, wenn Anne eine rauchen will“, schlägt Carlos freundlich vor. Leonhard ist einverstanden. Die Männer wechseln die Seite und jeder rückt in der Bank eine Mannesbreite weiter. Dann vollzieht Carlos die Rochade der Gedecke. Pizzen und Lambrusco finden ihren neuen Platz. „Ich geh‘ die beiden holen, bevor die Pizza kalt wird!“ Carlos macht sich auf den Weg nach draußen. Alsbald kehrt er mit Anne und Sophie an den Tisch zurück. Luigi serviert bereits den Männern die ersehnte Tutto und die Diavolo.
Nunmehr neben ihren Angetrauten sitzend, beginnen die Paare freudig das italienische Abendmahl. Leonhard mag Messer und Gabel nicht gerne benutzen. Daher bestellt er bei Luigi ein Pizza-Messer, dessen scharfes Rad die Diavolo gekonnt in einen Stern zerteilt. Dann greift er zu, fasst sein erstes Teufelsstück an der festen Kruste, stützt des Weich der Mitte mit links, führt das Stück beidhändig zum weit geöffneten Mund. Jetzt beißt Leonhard mutig ab. Als er zu kauen beginnt, treibt der scharfe Teufel die ersten Schweißperlen über Leonhards hohe Stirn.
„Tabasco, Peperoni, und Paprika sind echt ein geiles Zeug“, murmelt Leonhard mit mahlenden Kiefern. Er versucht einen Blick in Annes nach vorn gebeugtes Dekolleté zu erhaschen, während ihre spitz geformten Lippen kühlend über ein aufgespießtes Hackfleischbällchen hauchen. Leonhard misslingt die gewagte Schau, da Anne sogleich wieder aufrecht sitzt. Das Brennen verlangt nach mehr Lambrusco. Leonhard leert den Rest aus der Karaffe ins Glas, winkt Luigi herbei und bestellt sofort nach. Sophie schweigt noch immer.
Carlos lobt den Geschmack der Tutto: „Ausgezeichnet!“ Anne stimmt ins Lob mit ein: „Ja, die Hackfleischbällchen sind sehr ausgewogen und trotzdem schmackhaft gewürzt.“ Derweil stochert Sophie lustlos mit der Gabel in der Margherita herum. Hier und da schneidet sie mit dem Messer ein kleines Stück heraus, arbeitet sich aus der Mitte zu den Rändern vor. Von den Teilen kratzt sie mit chirurgischer Präzision den von Tomatensauce durchdrungenen Käse ab, streicht das Gemisch an die Gabel und kaut lange darauf herum. „Die Margherita ist fad“, klagt Sophie.
Leonhards kraftvoller Sprint
Der Ehemann an ihrer Seite hingegen verleibt sich seinen zerschnittenen Teufel mit höchster Geschwindigkeit ein. Leonhard beschleunigt seinen Kauvorgang umso mehr, je weniger noch auf dem Teller liegt. Wie ein Radprofi im Zielsprint konzentriert er all seine Schlingkraft auf das letzte Stück der Diavolo. Der blonde Mann mit den kräftigen Kaumuskeln und der Vorliebe für das Scharfe gewinnt das Rennen. Vor Anne und Carlos hingegen liegt noch die halbe Strecke. Sophie ist weit abgeschlagen, denn sie hat erst ein Fünftel geschafft.
Unter Leonhards kantigem Kinn spannt sich das nun von unzähligen Flecken überzogene Hemd auch über der Wölbung des prall gefüllten Magens. Der Kragen wird zu eng. Die gestärkte Kante raubt den freien Atem. Darum öffnet er die oberen vier Knöpfe. Sogar der Ansatz des wuchernden Brusthaars kommt zum Vorschein. Sein schweißig glänzendes Gesicht leert nunmehr befreit ein weiteres bis zum Rand gefülltes Glas. „Aaah!“
Leonhards gespülte Kehle tönt erleichtert: „Jetzt ist die Zeit für den Espresso gekommen!“ Die Frau an seiner Seite schneidet und sticht noch immer in die mittlerweile laue Margherita. Unter der Klinge des Messers erklingt ein schabender, kläglich als Quieken endender Ton. Carlos und Anne schrecken auf, drehen einander die Gesichter zu, essen dann aber mutig weiter.
Sophie schiebt den Teller von sich: „Ich pack ’s nicht mehr!“ Inmitten der Margherita klafft ein fast kreisrundes Loch, durch das ein von Weinreben umwucherter Krug zu sehen ist. „Lass‘ dir doch den Rest einpacken. Den kannst du morgen auch noch essen“, rät Carlos, dessen erkalteter Extrakäse sich in lange Fäden dehnt. Aber der zähe Käse verdrießt den sorgfältigen Esser keineswegs. Er dreht die Gabel, bis er die Fäden wie Spaghetti aufgewickelt mit dem Messer am Ende geschnitten in den Mund schiebt.
„Woher willst du wissen, wie ich mich fühle?“
„Was meinst du? Was läuft falsch, das empfindsame Menschen spüren?“, fragt Leonhard, der zur dritten Karaffe voller Lambrusco einen Espresso trinkt. Da Carlos nur ungern und mit einigem Widerwillen gleichzeitig spricht und isst, schiebt auch er den Teller von sich weg, legt das Besteck zur Seite und reinigt den Mund mit tupfender Serviette. Obwohl er dem Ziel nun endlich nahe kommt und nur noch ein Viertel der Tutto auf dem Teller liegt, möchte er den Rest einpacken lassen. Auch Anne gibt vor einem Fünftel der Tutto auf. „Das kann zusammen in einen Karton“, meint sie auf Carlos‘ Teller deutend.
„War alles gut?“- „Ja, alles war gut!“ Luigi kritzelt zwei weitere Bestellungen für Espresso auf den Block. Die Teller nimmt er mit, die Reste dürfen Anne und Carlos nachher an der Theke abholen. Carlos hebt die Stimme zur Antwort auf Leonhards Frage: „Ich kenne Kolleginnen, denen ergeht es nicht viel anders als Sophie. Auch sie schlafen schlecht, schrecken nachts panisch aus Albträumen hoch und ahnen, dass irgendetwas bedrohliches in Hintergrund geschieht.“
Sophie, aus deren Lambrusco das perlende Leben bereits entwichen ist, entschließt sich nun doch zu einem etwas kräftigeren Schluck. „Woher willst du wissen, wie ich mich fühle?“ Carlos bemerkt nun seinen Fehler, der ihn sichtlich beunruhigt. Hektische Male erscheinen auf seiner Stirn, er beginnt mit dem Kopf zu wackeln und fährt sich mit der Hand durchs Haar. Dann wendet er sich an Sophie: „Ja, wir haben vorhin über den Asteroiden gesprochen. Da hat Leonhard deine Angst vorm Weltuntergang und der großen Zeit der Wende erwähnt.“
Sophie senkt den Kopf, sieht prüfend an sich hinunter. Ihre Kleidung ist unbefleckt und rein. Kein Käse ist auf den Rock gefallen, keine Sauce auf die Bluse getropft, kein Wein ins Dekolleté gekleckert. Im Angesicht der Reinheit atmet sie seufzend auf, bevor sie Leonhard von der Seite betrachtet. Das Profil seines Gesichts fließt in eine wohl bekannte Rede.
Leonhard spricht: „Es gibt keinen Grund zur Furcht. Die Wissenschaft hat alle Asteroiden fest im Blick. Falls sich ein Himmelskörper zu sehr nähert, wird er abgeschossen. Die Welt ist längst auf die Abwehr ihres Untergangs vorbereitet. Jede Gefahr wird gesehen und erforscht. Dafür gibt es Teleskope, Satelliten und Weltraumstationen. Bedrohungen werden gemessen, beobachtet und beseitigt. Niemand kann Fakten fühlen oder ahnen. Auch Sophie nicht, denn ein Gefühl ist keine Bedrohung. Ein Gefühl ist nichts.“
Anne kontrolliert den Puls auf ihrer Fitnessuhr. Carlos bemerkt den flüchtigen Blick seiner Frau und trinkt den Espresso aus: „Es ist Zeit für uns. Wir möchten gehen.“ Dann zieht er die Geldbörse aus dem Jackett und entnimmt eine Bankkarte, die er auf den Tisch legt. Anne findet in ihrer Handtasche ein paar Münzen fürs Trinkgeld. „Wir möchten gerne zahlen, bitte!“, spricht Carlos laut in Richtung Luigi, der gerade die Registrierkasse zur Abrechnung vorbereitet.
„Nein, nein, Freunde. Ihr seit eingeladen“, sagt Leonhard, der seinerseits eine Bankkarte zückt. Sophie staunt über die Freigiebigkeit ihres Ehemannes. Sie sieht ihn fragend an, er grinst und klopft mit der Karte an das klingende Weinglas. Luigi nimmt die Karte mit. Der Drucker rattert und zirpt, Luigi bringt den Beleg. „Vielen Dank, lieber Leonhard! Das wäre nicht nötig gewesen“, reagiert Anne und legt die Münzen auf den Tisch neben den Kassenbon. „Habt eine gute Zeit. Bis zum nächsten Mal!“ Anne und Carlos verabschieden sich in die Nacht. Der Mond ist verschwunden: Große Zeit der Wende, flüstert Anne.
Eine Erzählung von Fetthans Pirmasens