Im Badesaal: Theophil trifft Erika
Dich schickt der Himmel. Komm herein und zeige mir, was du zu bieten hast. Doch erst einmal waschen. Die Frau des Doktors nahm Theophil bei der Hand und führte ihn zum Badesaal. Fein säuberlich aufgestapelt lagen die Tücher neben der rosa Badewanne. Die war sogar in den Boden eingelassen und beschrieb einen Kreis von mehr als zwei Metern im Durchmesser.
Unter seinen Wanderschuhen fand Theophil fein geschliffenen Marmor. Quadrate in Rosa und Rot. Auch an den den Wänden des Badesaals glitzerte das edle Gestein aus Italien. Pralle Reben, Krüge voller Wein, umrankt von Weinberglaub. Dazwischen steht die Dame von Wollust drall im Bademantel.
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Verloren in der feinen Pracht des Badesaals
Des verreisten Doktors Ehefrau hantierte an den Knöpfen über der Wanne. Dann begann das Wasser zu sprudeln. „Du musst dich waschen, Theophil!“ Doch er, der allem Luxus abgeschworen hatte, erstarrte vor dieser Pracht. Es sah sich um in des Doktors Badesaal. Denn ein bloßes Zimmer mochte er diesen Raum nicht nennen. Die hohen, hellen Fenster und der Spiegel. Höher als er selbst und mit feiner Gravur reich verziert. Die Wände zeigten von Hand gravierte Flechten. Sie brachte einen Flakon aus französischem Kristall und stellte ihn neben der großen Wanne ab. „Ich heiße Erika“, sagte sie und lächelte.
Theophil stand nun alleine neben der rosa Wanne und konnte das noch gar nicht fassen, was ihm widerfuhr. Er zog die abgenutzte Jacke aus, ein Jackett das ihn gehörte noch aus fernen Tagen. Seine Kleidung trug den Staub und den Dreck aus all den Jahren. Das Textil war zugleich Ergebnis und Beweis seiner ewigen Flucht. Beinahe hätte er es nicht gewagt, das Jackett in den fein gepflegten Gefilden abzulegen. Der Spiegel warf das Bild eines Mannes zurück, dessen Schäbigkeit für ihn selbst nicht auszuhalten war. Er fasste sich den Mut und legte alle seine Kleider ab. Erikas eifrige Dienerin fasste die Theophils Kleider mit Handschuhen und trug sie flink davon.
Erika betrachtet den nackten Theophil
So nackt und bloß im fremden Badesaal überkam den sonst so mutigen Mann dann doch die Angst. Er zitterte. Beinahe hätten die Beine ihm den Dienst versagt. „Theophil, was tust du da?“ Er hatte Erika nicht bemerkt. Weshalb er über ihre Worten erschrak. Ganz leise hatte sie den Badesaal betreten. Erika hatte den wartenden Mann bereits eine ganze Weile unbemerkt beobachtet.
Der Fluch der Askese ist gebrochen
Sie trug einen rot schimmernden Bademantel mit schmalen, goldenen Bändern. Füße und Beine waren nackt. Nun näherte sich Erika und legte die Hand auf seinen Rücken. Dann schob sie Theophil mit sanftem Druck zur Wanne. Er steig hinein. Zuerst noch zögernd. Aber dann glitt er ins duftende Wasser hinab bis zum Grund. Als das Wasser wärmend ihn umgab, schloss er für einen Augenblick die Augen. Er vergaß für Sekunden, wer und wo er war.
Erika griff nach dem Flakon und gab das feine Öl hinzu. Der Duft von frischem Lavendel raubte Theophil die Sinne. Auch Erika ließ glitt nun hinab. Das Haar geöffnet Haar und gänzlich frei. Ganz nahe bei Theophil legte sie beide Hände auf seine Brust.
So erlebte Theophil, was er niemals mehr zu erleben glaubte. Er, der strenge Asket ging in Erikas Badesaal gänzlich unter. Niemals, so hatte er geschworen, wollte er einem Weib noch einmal so nahe sein. Doch nun ist es doch geschehen. Es geschah in diesem Badesaal. Dabei wollte Theophil nichts weiter als hausieren, als er an Erikas Türe klingelte. Doch da ahnte er noch nichts von der Magie des großen Badesaal und dessen Besitzerin.
Theophil Meisterberg hätte sich einen solchen Luxus, eine solche Pracht zum einfachen Zweck der täglichen Waschung bis dahin nie vorstellen können.