Für Desinfektion zahlt Monika jeden Preis
Desinfektion rettet das Leben ganzer Familien. Die kostbaren Chemikalien schützen die Eltern, die Kinder und die betagten Großeltern vor gefährlichen Krankheitserregern. Wer also in Zeiten eines grassierenden Virus‘ über genügend Mittel zur Desinfektion verfügt, hat gute Aussichten, sich selbst und die Seinen gesund durch die Krise zu bringen. Vermögende Mitmenschen sind dabei deutlich im Vorteil. Das zeigt das folgende Beispiel.
„Nur wer jetzt wirksam desinfiziert, hat die besten Chancen das Coronavirus gesund zu überstehen“, weiß auch die wohlbetuchte Familie Breitbarth. Deswegen spielten die Breitbarths ihre guten Beziehungen zu einem Pharma-Großhändler aus. Bei ihm erwarb die Familie unlängst eine große Ladung der kleinen Plastikflaschen. Womöglich nicht ganz legal. Jedenfalls schoben die Breitbarths eine stolze Summe über und unter den Ladentisch. Sicherlich ein Vielfaches vom dem, was die Lieferung vor Ausbruch der Seuche gekostet hätte.
Selbstverständlich töten Mittel zur Desinfektion das Coronavirus und die gefährlichen Pneumokokken auf Händen, Handys, Lenkrädern, Tastaturen und Möbeln. Das bewirkt die Desinfektion aber gleichermaßen bei medizinischen Geräten in Krankenhäusern und Arztpraxen. Dafür sind die Mittel zur Desinfektion schließlich gemacht. Und dort werden sie auch dringend gebraucht, es herrscht ein Mangel. Aber Monika Breitbarth schert das nicht.
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Ein Keller voller Desinfektion
Doch etwas ganz anderes hat sie doch geschoren, die Millionenerbin und Ehefrau des vermutlich berühmtesten Kranbauers aller Zeiten, Martin Breitbarth. Nämlich ihr Kopfhaar. Der Schuppen wegen.
Beim ersten Vorstellungsgespräch ist sie wegen der Hautpartikel unangenehm aufgefallen. Sie muss sich wohl sehr geschämt haben, weil ich sie in meinem Bericht „die Frau mit den Schuppen“ genannt habe. Denn abgesehen von den Schuppen gibt Monika eine äußerst gepflegte und gut gekleidete Erscheinung ab.
Nun wollte sie zum zweiten Vorstellungsgespräch in der Pirmasenser Kolonie erscheinen. Wir hatten bereits dieselbe Sitzordnung geplant wie beim ersten Gespräch. Svetlana sollte das Interview führen und ich war als Protokollantin vorgesehen. Aber es kam diesmal alles anders. Eine Stunde vor dem Termin rief die Bewerberin das Handy von Svetlana an. Monika Breitbarth bat inständig darum, wir möchten uns doch bitte mit ihr in einem ihrer Häuser in Pirmasens treffen.
Dort wolle sie uns etwas wichtiges zeigen, versprach Monika am Telefon. Nach kurzer Diskussion beschlossen wir, dem Wunsch der Bewerberin ausnahmsweise nachzukommen. Also packte Svetlana ihren Notizblock mit den Fragen ein und ich meinen Computer. Reichlich gespannt und neugierig machten wir uns zu Fuß auf den Weg durch die Stadt bis zu dieser Adresse auf dem Berg Horeb. Obwohl mich die Steigungen doch sehr anstrengten. Denn in den letzten Tagen fühlte ich mich etwas matt, fiebrig und erkältet. Aber wir kamen trotzdem gut ans Ziel.
Wie mit Monika verabredet, war die Haustür des alten, etwas herunter gekommenen Sandsteingebäudes nur angelehnt. Den Anweisungen Monikas folgend, stiegen wir die 15 Stufen zum Keller hinunter. Dort bewegten wir uns vorsichtig durch den nur spärlich mit schwachen Glühbirnen erleuchteten Flur. Nach vielleicht zehn Metern erblickten wir auf der rechten Seite eine breite Schiebetür aus blankem Edelstahl. Svetlana pochte mit der Faust dagegen. Sofort ertönte das Summen eines Elektromotors. Das Tor öffnete sich wie von Geisterhand.
Den Raum dahinter fanden wir mit hellem, weißem Licht aus einer modernen LED-Lampe durchflutet. Etliche raumhohe Regale aus Metall standen darin. Auf den Stiegen standen sorgsam aufgereiht kleine Plastikflaschen mit eng bedruckten Etiketten. Dann entdeckten wir Monika Breitbarth. Sie wartete ganz hinten an der Kellerwand. Monika sparte sich die Begrüßung. Was ich als unhöflich empfand. Statt ihrer begann sie sofort mit der Erklärung dessen, was wir in diesem Keller sahen. Das waren unzählige Flaschen mit medizinischer Desinfektion und eine kahlköpfige Frau im braunen Kostüm. Wo hat uns Monika hingeführt?
Ich habe mir den Kopf rasieren lassen. Wegen der Schuppen. Mein Hautarzt sagt, es sei besser, wenn Sonnenlicht auf die Kopfhaut kommt. Dann können die wunden Stellen und die Schrunden besser heilen. Shampoo und Tinkturen helfen nicht mehr. Sogar das Bad im Toten Meer linderte die Schuppen nur für ein paar Wochen. Danach waren sie wieder da. Zur Arbeit lege ich das Kunsthaar an. Die Perücke habe ich eigens anfertigen lassen. Martin meint, mein kahler und geölter Kopf wirkt sehr erotisch. Er liebt es, drüber zu streicheln. Und wie findet ihr meine Glatze?
Monika Breitbarth über ihre Glatze und die Schuppen.
Allerdings waren Svetlana und ich vom neuen Aussehen der Monika Breitbarth überrascht. Wir sahen uns gegenseitig staunend an. Weil Svetlana – wenn auch aus ganz anderen Gründen – ebenfalls das Kopfhaar rasiert, weiß ich aus bester Erfahrung, wie erotisch eine weibliche Glatze wirken kann. Aber deswegen werde ich mich ganz sicher nicht in Monika verlieben. Im Gegenteil Auch ohne Schuppen bleibt mir diese Frau unsympathisch.
Svetlana ließ ich von Monikas Auftritt im Keller des Mietshauses nicht aus der Ruhe bringen. Sie sah sich um, drehte dabei ihren schlanken Körper einmal um die eigene Achse, bevor sie sich wieder der Bewerberin zuwendete. „Monika, ich wünsche dir, dass du die Schuppen los wirst. Aber sage mir, wozu in aller Welt brauchst du so viel Desinfektion?“
Ein Schutzwall gegen die kranke Welt
Martin sagt, wir brauchen das Desinfektionsmittel unbedingt. Damit kann unsere Familie die Seuche leichter überstehen. Denn die Desinfektion errichtet einen Schutzwall zwischen uns und der kranken Welt.
Ihr wisst bestimmt auch, dass das Coronavirus bis zu drei Tage außerhalb des Körpers überleben kann. Das heißt, wir müssen unsere Sachen von den Viren und Bakterien befreien. Ebenso müssen auch die Hände desinfiziert werden.
Damit wir uns nicht anstecken und das Virus nicht in unsere Familie und den Freundeskreis weitertragen. Wir sind ja alle wertvolle Menschen, die nicht krank werden sollen.
Deswegen hat Martin bei einem befreundeten Pharma-Großhändler eine ganz große Palette mit medizinischer Desinfektion bestellt. Von dem Mittel, wie es auch die Krankenhäuser verwenden. Das hier ist nicht etwa das billige Zeug aus dem Drogeriemarkt. Damit geben wir uns erst gar nicht ab.
Außerdem haben das unsere Freunde, Bekannten und Kollegen auch gemacht. Alle haben das bestellt. Obwohl das Mittel im Moment kaum noch zu bekommen ist, haben wir es geschafft. Ihr seht es ja selbst. Dieser Keller ist voll damit.
Die Lieferung war zwar sehr teuer. Auch weil wir dem Händler persönlich etwas zukommen lassen mussten. Aber unsere Gesundheit ist natürlich jede Summe wert.
Monika Breitbarth über das Desinfektionsmittel in ihrem privaten Lager.
Warum Monika nicht gerne teilt
Mich ärgert, was sie sagt. Genau so hört sich Egoismus an. Eine Selbstsucht wie sie zerstörerischer nicht sein könnte. Der Gedanke ans Teilen scheint Monika Breitbarth gänzlich fremd zu sein. Obwohl ich grundsätzlich verstehe, wenn ihr die Gesundheit der eigenen Familie am meisten bedeutet.
Trotzdem erwarte ich von einer Bewerberin eine andere Einstellung. Schließlich ist die Kolonie auf Teilen, Solidarität und Verzicht gebaut. Das ist Gottes Wille. Also fragt Svetlana: „Monika, würdest du von deinen Vorräten etwas abgeben?“
Wenn die Seuche vorüber ist. Dann vielleicht. So hat Martin entschieden. Bis dahin bleibt bei uns, was uns zusteht. Schließlich sind wir nicht irgendeine beliebige Familie. Die Gesellschaft braucht Leute wie uns. Es gibt gewisse Unterschiede. Damit müssen die anderen leben.
Weil wir nun zu den Leistungsträgern gehören, dürfen wir nicht riskieren, krank zu werden oder gar zu sterben. Auch für den Krankheitsfall hat Martin vorgesorgt. Er hat gemeinsam mit Freunden zwei Intensivbetten gekauft. Schon als sich die Corona-Krise abzeichnete. Die Betten stehen jetzt in einer Privatklinik für uns bereit.
Mit den sozial Schwachen zu teilen ist in Krisenzeiten nicht gut. Man verliert einfach zu viel dabei. In diesen Zeiten muss jeder sehen wo er bleibt. Deswegen schicken wir auch Aufkäufer los. Die stocken unsere Vorräte an haltbaren Lebensmitteln und allgemeinen Hygieneartikeln weiter auf. Sie gehen einzeln in die Supermärkte. Sie sollen alles herbei schaffen, was sie für Geld bekommen können. Was gerecht ist, regelt die unsichtbare Hand des Marktes. Diese einzige Ausnahme werden wir machen. Wenn ihr uns in die Pirmasenser Kolonie aufnehmt, sagt Martin.
Monika Breitbarth über das Teilen.