Ester in der Sphäre: Erst die Liebe, dann der Krieg
Bloß dass ich vor der alten Mauer sitze und einen Stumpen rauche. Einfach so tagträumen. Dann erscheint Ester. Weil tausend Sterne sie umgeben, ist sie mir so fern. Aus ihrer hellen Sphäre gleißend geblendet versagen meine Augen schmerzhaft. Immer mehr weitet sich die Pupille verschwommen. Zu heiß brennt der Strahl die Netzhaut. Umso mehr, als mich dieses Funkeln umfängt, falle ich Rauch und Rausch anheim.
Stumpen, Stumpen, Gottbier. Schließlich ist es doch der Mauerstein. Soweit ausgewaschen von Wind und Regen. Der Stein trägt Ester heran und hält sie fern zugleich. Überdies, so frage ich meine Liebesqual, wie lange wird die Mauer noch dazwischen sein? Wenn die Mauer seit Jahrhunderten hier steht, so ist es doch an der Zeit, das Bauwerk endlich einzureißen. Sowie alles sich der Liebe Entgegenstellende eingerissen werden muss. Auch die Sphäre, auch die muss zerbrechen.
Springe zu einem Abschnitt:
Strahlende Frau in der Sphäre aus Sternen
Ich will die Sphäre zerbrechen, damit ich Ester riechen, schmecken und fühlen kann. Ehe ich in den Lichtern verbrenne, will ich vor ihr niederknien. Ich will sie mit meinen Küssen verehren und mit ihr verschmolzen sein zu einem. Sobald die strahlende Frau mit mir den Sternen nahe ist, werden wir hinauf gehoben in ein neues Sein, in eine neue Welt aus sanftem Licht.
Aber noch steht neben mir die alte Mauer. Ausgesperrt und einsam hocke ich mit meinen Stumpen. Während Ester aus der Sphäre leuchtet, drückt mich hier die harte Bank. Theophil Meisterberg reicht mir eine Kiste Gottbier zum Trost. Damit wenigstens ich in den Träumen meiner Erlöserin nahe sein darf. Daher reicht mein Kummer bis über den Berg der Toten. Worumwillen soll ich noch leben, wenn nicht für Ester?
Es ist der Krieg und nicht die Liebe
„Aufhören! Aufhören, Fetthans! Es ist der Krieg und nicht die Liebe. Siehst du nicht, wie die Feinde ihre Mörder dingen? Damit unser unschuldigen Kinder töten? Hörst du nicht ihre hämischen Reden?“
„Doch, Theophil. Ich höre die Reden unserer Feinde. Daher weiß ich um die gedungenen Mörder. Zudem erzählt mir Delume von ihren Todeslisten und den getarnten Verrätern.“
„Warum greifst Du nicht zur Waffe, Fetthans? Wie müssen sie jagen. Bevor es zu spät ist und sie uns jagen. Jetzt. Es darf geschossen werden.“
„Weil meine Augen von Esters Glanz und Sphäre geblendet sind. Weil ich Ester liebe!“
Theophil versteht meine Gefühle nicht
Pfarrer Theophil Meisterberg versteht meine Gefühle nicht. Somit sitze ich weiterhin vor der alten Mauer und rauche meine Stumpen. Sollen doch die Partisanen unseres Scharfschützen aus den Sturmgewehren feuern. Alldieweil nur noch ihre Gewalt unsere Kolonie und die Freiheit vor den Krallen der Feinde retten können. Selbstverständlich weiß ich es.
Mein Bewusstsein ist so hell und klar wie Esters Augensterne und mein Verstand so tief wie ihre Seele. Ich kann jetzt nicht kämpfen. Für mich ist die Zeit des Krieges noch nicht gekommen. Mir träumt jetzt von der Liebe.
„Theophil! Bitte zieht einstweilen ohne mich los. Später komme ich nach mit meinen Leuten. Denn die feindlichen Armeen sind nicht weit von unseren Hütten in Pirmasens.“
Bericht: Fetthans
Digitales Bild: Scharfschütze