Habgier: Der Teufel schickt die Sünde
In der Gewissheit des Todes mag die Erkenntnis über die Habgier spotten: Nichts bleibt! Dennoch begehre ich zu besitzen. Immerfort und pausenlos. Es vergeht kein flinker Augenblick, ohne den Gedanken an diesen Besitz. Sogar mir, einem Priester der Moral, der ich die Menschen vom Berufe her lehre und mit erbaulichen Worten durchdringe, bleibt die Habgier nicht erspart.
Gleichwohl begehre ich andere Dinge als dieses leidige Backblech in Fetthans‘ Ofen. Als da wären: der Ruhm als Prediger, die Macht der Führung und natürlich das Gottbier-Privileg. Denn letzteres trägt als unverkennbares Zeichen jene weit über die Stadt hinaus strahlende, verheißungsvolle Leuchtkraft.
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Gottbier, das schnelle Internet Gottes
Das Gottbier-Privileg zeichnet den erhabenen Kreis der Personen in der Geistlichen Hütte aus. Denn diese entscheiden aus der inneren und äußeren Verbindung und Liebe zu Gott heraus über die Moral, die Ethik, das Richtig und Falsch der gesamten Kolonie. Wer seine Tage im Strom des Gottbiers verlebt und darin arbeitet, trennt das Gute vom Bösen. Infolgedessen entscheiden wir aus der Erkenntnis Gottes heraus, wem der Eingang in die Pirmasenser Kolonie gewährt wird und wem nicht. Geleitet von Ester Berlin, der Geliebten von Claude Otisse und Svetlana, der RAF-Terroristin, zeichnen wir die Gebote des Lebens in Gerechtigkeit.
Denn das Gottbier ist das wirksamste Medium des göttlichen Willens. Sowie ein Telefonkabel, das die Nervenzellen von uns Menschen direkt mit den Synapsen Gottes verbindet. Als ob die Telekom eine Breitbandverbindung mit unendlich großer Übertragungsrate gelegt hätte, verbürgt das Gottbier den Gedankenaustausch mit Gott und ihrem ewigen Licht.
Auf jeden Fall sind Gebete, Verkündigung und das Studium der alten Schriften den Menschen hilfreich und gut. Währenddessen muss ich trotzdem sagen: Nein, das Gottbier vermögen diese Gaben dennoch nicht zu ersetzen. Allenfalls können diese Meditationen die unvermittelte Verbindung ergänzen. Aber einzig das Gottbier vermittelt Glaube und Gnade. Sowie sie menschliche Lebewesen zur Erlösung aus dem Elend brauchen. Weil ich diese Wirkung des Gottbiers erfahren durfte, richtet sich meine stärkste Begierde auf diesen heiligen Saft.
Die Habgier quält Körper und Seele
Nunmehr komme ich nicht umhin, unter Schmerzen zu beobachten, wie Fetthans‘ Backblech innerhalb der Pirmasenser Kolonie zum strittigen Gegenstand allseitig gedeihender Habgier wird. Alle wollen das Backblech haben. Genau dieses eine und kein anderes. Obwohl es derer es doch so viele gibt. Anfangs verharrten die Begierden noch in einer freundlichen Milde. Doch jetzt sehe ich unter den Kolonistinnen einen Kampf emporsteigen. Einen sich erhebenden Krieg um den Besitz des Backblechs aus Fetthans‘ Hütte.
Was in aller Welt soll ich gegen die Sünde der Habgier tun? Inzwischen bin ich mir sicher. Es war der Teufel persönlich, der diese furchtbare Begierde in den Kolonistinnen wirkte. Folglich erwarte ich einen fanatischen Kampf führen zu müssen. Deswegen hat mir Ester Berlin mir Lukas, der Prophet und Hunde-Tommy zur Seite gestellt. Allerdings – das sage ich als Ester Berlins Vorgänger im Amt der Geistlichen Leiterin – hegte ich zuerst Zweifel an ihrer Auswahl. Nichtsdestotrotz lehrten mich Gebete, die Lektüre der Heiligen Schrift und natürlich das Gottbier, ihre Entscheidung in Demut anzunehmen.
Schließlich ist Ester Berlin als transsexuelle Frau dem hellen Wesen und Willen Gottes am nächsten. Somit bleibt mir nur die Hoffnung auf den baldigen Frieden in der Pirmasenser Kolonie. Denn nur im Frieden bleiben wir mächtig und weise genug, um unsere Aufgabe zu erfüllen. Damit wir Kolonistinnen der Stadt und dem Land vor unseren Toren gute und gerechte Vorbilder bleiben. Wie sonst sollen wir auch jenen Orientierung bieten, die zwar nicht in die Kolonie aufgenommen werden können, sich aber auch draußen auf Gott besinnen?
Das wäre nicht möglich, wenn die Kolonie im Chaos aus Habgier, Neid und Missgunst versinken würde.