Er ist nicht da. Da ist er nicht! Wunder Grumbieresupp!

Er ist nicht da. Hund und Katz' genießen seine Grumbieresupp (Kartoffelsuppe) in Pirmasens.
Die Pirmasenser Grumbieresupp schmeckt auch Hund und Katz‘.

Er ist nicht da. Da ist er nicht! Obwohl schon halb acht, warten wir immer noch auf ihn. Eine jede und ein jeder hat jetzt am großen Eichentisch den vorher bestimmten Platz eingenommen. Theophil Meisterberg hat alle Gedecke aufgetragen. Zwölf sind es an der Zahl. Das Menü wartet in zwei Töpfen, einer Terrine und einer Pfanne geduldig dampfend auf den Schlund der Gierigen.

Die einfachen Speisen stehen dieser feinen Tafel sehr gut zu Gesicht. Kostbar zubereitet und liebevoll gereicht von der Kochhütte der Pirmasenser Kolonie. Zum Horsd’œuvre lockt mit geschossener Sahne eine Pirmasenser Grumbieresupp. Der Hauptgang strebt mit gebackenen Salbei-Kartoffeln und würzigen Bratbällchen aus Dinkelkorn zur zärtlichen Verdauung. Der schenkt uns die Hoffnung auf das Dessert. Das sind die eingelegten Birnenhälften aus unserem Streuobstgarten. Welch eine Freude! Aber sein Stuhl ist leer. Sein Gedeck ist noch immer nicht angefasst, obwohl schon zehn nach halb acht.
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Er ist nicht da! Die Grumbieresupp wartet.

Der Zeiger zeigt jetzt dreiviertel acht. „Was macht er wohl?“, fragt Ester Berlin, die gierig zum Suppentopf starrt und die Grumbieresupp mit den Augen saugt, die ihre Beine fest aneinander presst, die den Schoß öffnet und mit flachen Händen den Seidenrock über ihre Oberschenkeln reibt. Getrieben zum Verschlingen wächst die Ungeduld des satten Appetits der fünf, die auf den Sechsten warten und zwölf werden sollen.
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Claude Otisse wölbt den Bauch über die Kante des Eichentischs, stemmt die Ellbogen auf das harte Holz, faltet die feisten Hände wie zum Gebet. Doch Otisse betet nicht. Statt dessen knetet er seinen Suppenlöffel hin und her. Er fasst das goldene Besteck zwischen Daumen und Zeigefinger, drückt und quetscht das Metall, seine Finger sind blutleer blau, reckt den Löffel senkrecht gen Himmel. „Dort oben. Er fickt die schöne Paula auf dem Berg Horeb“, sagt Otisse, der jetzt verstohlen zu Svetlana schaut. Auch Svetlana trägt Seide, ihren dunkelblauen Meeres-Kimono mit Quallen und Fischen wundervoll bedruckt. „Stört das den großen blonden Ehemann nicht?“, will Svetlana von Otisse wissen.
Er ist nicht da. da ist er nicht!

Die Tafel ist eröffnet

Pfarrer Theophil Meisterberg schreitet um den Eichentisch herum. Der aus dem frühen Amt gefallene Mann Gottes entzündet mit seinem Feuerzeug fünf der zwölf weißen Kerzen in goldenen Kandelabern. Für jedes an diesem Tisch versammelte Mitglied der Geistlichen Hütte erstrahlt gleich eine helle Flamme. Sobald die Dochte brennen, segnet der Pfarrer des Gottbier, spricht die heiligen Worte und verteilt die Flaschen feierlich neben die Gedecke. „Er fickt einen Körper namens Paula. Er fickt sich sich selbst in einem anderen Menschen. Der Mensch, die Frau, die Paula sucht Heilung bei dem Arzt, der bloß seine Begierde erfüllt um frei zu sein“, weiß der Pfarrer. Mit diesen schlauen Worten ist die Tafel eröffnet.
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Ich ergreife die silberne Kelle, tauche sie kraftvoll in die Tiefe der Terrine. Gefüllt ziehe ich sie ans Ufer und schütte die Grumbieresupp über die fordernd erhobenen Teller. Fünf Brote und zwei Fische. Jesus Christus macht alle Hungrigen satt. Wir aber spüren keinen Hunger. Satt wie immer folgen wir dem großen Appetit. Wir streben machtvoll zum Genuss. Wir verschlingen diese Speisen, um uns unserer Freiheit zu vergewissern. Ich frage in die Tafelrunde: „Was ist ein Muttertier?“
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Getroffen legt Otisse den Löffel nieder, lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. „Dieses Wort stammt nicht von mir. Ich habe nie behauptet, Mütter seien wie Tiere. Er hat es gesagt. Er, nicht ich! Ich habe das Wort nur zitiert. Du musst mir glauben, Ester!“ Die jedoch löffelt weiter ihre Grumbieresupp. Ester sieht nicht auf, sieht Otisse nicht einmal an. Ganz so, als hätte er Ester gar nicht angesprochen, als hätte sie ihn nicht gehört. Auch der Pfarrer löffelt: „Mmmmh! Die Sahne! Lecker!“
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Empörung über seine Unmoral. Nachschlag.

Es ist Svetlana, die empört das Wort ergreift: „Müttern sind die Wünsche und Begierden ihres Kindes wichtiger als die eigenen. Deswegen geben sie alles auf, was die junge Paula noch besitzt und das er verschlingt. Das ist der Grund, warum die Mütter für ihn geistlose Tiere sind. Fickt er eine Mutter, wähnt er sich als Sodomist. Nein, dieser Arzt heilt die Frauen nicht, er zerstört sie.“ Pfarrer Theophil Meisterberg ist mit seiner Grumbieresupp zu Ende. Daher frage ich den frommen Mann sogleich, ob er noch einen köstlichen Nachschlag will. Was ist sein Wille?
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Theophil will den Nachschlag unbedingt und sofort. Mit Sahne? „Ja. Aber bitte mit Sahne!“ Also fährt meine Kelle noch einmal in die Tiefe der Pirmasenser Grumbieresupp hinab. Dann schütte ich die Grumbieresupp über des Pfarrers leeren Teller, fülle das mit Gold verzierte Geschirr bis zum Rand. Der Pfarrer stellt den Teller ins Gedeck zurück und beginnt aufs Neue zu löffeln. Wer ist die Nächste, bitte?
Er ist nicht da. Da ist er nicht!

Bericht und Fotos: Fetthans Pirmasens

Grumbieresupp, Hund frisst Kartoffelsuppe in Pirmasens Grumbieresupp, Er ist nicht da

Fetthans Pirmasens

Fetthans Pirmasens ist Pressesprecher der Pirmasenser Kolonie der Auserwählten. Er vertritt die Kolonie nach außen und entscheidet als Mitglied der Geistlichen Hütte, wer von den zahlreichen Bewerberinnen aus der verworfenen Welt ins Reich Gottes aufgenommen wird.

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