Kolonistinnen: Die Freiheit kommt vom Horeb

Zwei Kolonistinnen sehen in den Abgrund von einer Brücke herab.
Die alte Welt am Abgrund.

Ich schreibe zwar über meine Erlebnisse der Kolonistinnen in Pirmasens. Aber ich berichte dennoch über die ganze Welt. Ich meine mit Welt nichts geringeres als die Zivilisation überhaupt. Doch taugt so eine kleine Stadt wie Pirmasens überhaupt zum Ort solch weitreichender Fragen?

Wären Berlin, London oder München nicht die besseren, weitaus würdigeren Orte? Nein. Ausgeschlossen.  Vielmehr ist es so, dass die Großstädte ihrer Blasiertheit wegen die entscheidenden Wendungen des Menschengeschlechts verpassen. Der Glaube an ihren eigenen Fortschritt macht sie blind. Ihre erste Garde ist in Wahrheit eine Horde tumber Comediens.

Der Berg Horeb liegt höher

Der Unterschied zwischen der S-Bahn vom Berliner Hauptbahnhof zum Ostkreuz und der Pirmasenser Linie 6 über den Horeb ist zweifelsohne messbar. Ergebnis: Der Horeb liegt deutlich höher. Weshalb dieser Berg den Namen Horeb trägt. Denn der Name kommt aus dem Pirmasenser Dialekt. Die Leute sagten früher Hochrech. Was soviel bedeutet, wie hoher, steiler Hang. Woraus später der Name Horeb wurde. Aber heute hat der Horeb eine neue Bedeutung. Der Horeb ist die Wohnung Gottes.

Von Kolonistinnen umzingelt

Sobald sich das Menschengeschick seinen Veränderungen unterwerfen musste, strömte das Neue niemals aus den Metropolen heraus. Stets waren und sind es wache und mit mentaler Kraft versehene Kleinstädterinnen und die Landleute gewesen. Sie brachten Revolutionen, Wissenschaft, Kunst und Technik in die tumben Zentren der Mächtigen.

Allerdings ist jetzt die purpurne Herrlichkeit der Macht der Vergänglichkeit preisgegeben. Das Schicksal der Mächtigen liegt vor den Mündungen unserer Sturmgewehre. In ihren Straßen wehen die Fahnen des Bürgerkriegs. Einmal mehr wird nun die Überheblichkeit vom Feuer der Revolution vertilgt.

Obgleich das noch nie Gesehene längst seine Wurzeln in den Gipfel des Horeb geschlagen hat. Dennoch hämmern die großen Städte weiter ihren schnellen Takt über die rasenden Gleise, als wäre nichts geschehen. Noch bemerken die Getriebenen nicht, wie belagert und umzingelt sie schon heute sind.

Eine Illusion von Freiheit

Die Menschen der Großstadt verwechseln die leise Erinnerung an die Freiheit mit der ihrer Gegenwart. Aus bunten Lichtern, Lautsprechern und dem Geruch allgegenwärtigen Essens und Trinkens stürzt das Trugbild eines neuen Paradieses auf die Stadtmenschen ein. Doch das ist Lüge, eine Lüge die den Geist der Wahrheit verschließt.

Wennschon nur wenige Städterinnen den Ruf vom Horeb vernehmen, so ist er doch ein helles, lautes Signal. Somit sind nicht alle verloren. So wie Ester Berlin gerettet ist. Diese starke Frau hörte das Signal zur Umkehr. Dann machte sie sich auf den langen Weg in die Pirmasenser Kolonie. Dort fand sie Ort und Zeit gekommen, alles Philosophieren, Beten und Meditieren aus der Abgeschiedenheit hervorzuholen und mit der weltlichen Macht zu vereinen.

Die neue Ordnung geht von Pirmasens aus

Die von den Geldgläubigen ausgespuckten und verachteten Hüttenbewohner fanden als Erwählte Gottes eine neue Aufgabe. Seit dem geht die neue Ordnung vom hohen Berg in Pirmasens aus.

Gott wischt alle Tränen ab. Die Weissagung ist jetzt Wirklichkeit geworden. Für die Kolonistinnen ist dies ein wahrer Trost und Ansporn. Für die Geldgläubigen bedeutet das ein Verhängnis. Nunmehr sind bereits tausende Berufene in unseren Hütten eingekehrt.

Eine weitaus größere Zahl an Bewerberinnen musste ich jedoch ablehnen. Zwar fallen diese Entscheidungen nicht ohne Bedauern. Denn es ist meinem Gewissen eine Qual, die Verzweifelten in die verworfene Welt zurück zu stoßen.

In den Augenblicken der Entscheidung lastet die Verantwortung für die Pirmasenser Kolonie zu schwer auf meinen Schultern. Daher werde ich noch vor Weihnachten die Leitung der Geistlichen Hütte in jüngere Hände legen. Sofern die Generalversammlung der Kolonistinnen zustimmt. Dann werde ich um Gottes Segen für Ester Berlin bitten.

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Pirmasens

Bericht: Theophil Meisterberg
Digitales Bild: Claude Otisse

Pfarrer Theophil Meisterberg

Pfarrer Theophil Meisterberg ist Gründungsmitglied, theologischer Vorstand und Angehöriger der Geistlichen Hütte der Kolonie der Auserwählten in Pirmasens.

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