Freundschaft: Warum zerbricht sie jetzt?
Was ist Freundschaft? ein Samstag gehört der stillen Einkehr, der Besinnung, der Ruhe suchenden Kontemplation. Dieser Tag ist die Zeit des Innehaltens, der Pause, der Zäsur des Denkens, des Fühlens und des Wollens. Doch dieses Mal scheitert das Ritual, der Samstag missrät zum Tag ganz unten.
Aufrechtes Sitzen, den Kopf geradewegs nach oben, die Hände entspannt auf den Oberschenkeln. Der Blick ruht auf der weißen Wand. Mein Puls rast weiter, mein Atem geht schnell. Die Anspannung will partout nicht weichen.
Ich gebe nach, verlasse die Disziplin, kapituliere vor dem Unerreichbaren. Etwas völlig Unerwartetes geschieht: Ein Weinkrampf überkommt mich, schüttelt mich vom Stuhl, zwingt mich heulend zu Boden. Visionen des freien Falls, einstürzende Wände, brechender Boden, der Sog reißt mich in den schweren Schlaf. Ist das der Tod?
Die weiße Wand ist schwarz, Farben verstecken sich vor meinem Auge. Die neue Nacht ist angebrochen, mir wird schlecht, auf allen Vieren erreiche ich die Toilette, übergebe mich. Rufen will ich, doch heraus kommt ein Quieken wie von einem Schwein. Ist da wer? Annette? Theophil? Der Mond scheint durchs Fenster und sticht mit spitzen Schatten in den gebeugten Rücken, der nach Strafe giert – ich bin wach und überlebe ganz unten.
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Der Körper verweigert den Gehorsam
Dieser Schlaf verzehrt als ein wütender Leviathan die Kräfte bis zum Nichts. Wie heiße ich? Wo bin ich hier? Wenn ich zu Hause bin, muss ich die Treppe hoch, finde dort mein Bad und mein Bett. Ich komme an, stoße mir das Knie, erschrecke, wer ist der Mann im Spiegel? Zähneputzen, Dusche, die Katze springt aus dem Bett, faucht, rennt weg. Das Tier erschrickt über dem, was es erblickt. Einen gebrochenen, ihr fremd gewordenen Menschen, dessen Schatten unendlich größer ist als er, und der sich selbst nicht mehr erkennt.
Mir ist kalt, ich friere. Drei dicke Winterdecken wärmen nicht. Müde und doch hellwach, erschöpft und doch getrieben drehe ich diesen Körper zur Wand. Aber er gehorcht mir nicht, wendet sich zum Raum, wo sich die Schatten gegen das Licht verschwören.
Ich höre seinen Atem. Immerhin, er lebt und zuckt, den kann ich noch gebrauchen, wenn die Nacht vorüber geht und der neue Morgen mit seinem Grauen kommt. Sollen sie doch die Knöpfe drücken. Ich will ihn sehen, den Blitz am Horizont. Der löscht den Schmerz und rast mit der Verzweiflung hoch zum Himmel.
Freundschaft und Verrat
Freundschaft zerbricht im Verrat, Liebe endet im Krieg; mein Leben zerstückelt sich selbst. Ich sehe ihm dabei zu, lache schreiend mit Applaus und denke an den schönen Strick des Eisverkäufers. Theophil flüchtet vor meiner moralischen Axt.
Meine Wut wollte seine falschen Vorwürfe zerhacken, mein Zorn wollte seine Lügen verbrennen, damit das Essen zur Versöhnung doch noch schmeckt. Zu Weihnachten bereitete ich einen Festtagsbraten, es war Biorind vom Feinsten, und nicht billig vergastes Schwein. Dazu gab es Salbeikartoffeln und Feldsalat, zum Dessert ein Eis mit heißen Himbeeren. Heiligabend stand ich in der Küche, damit Theophil und ich vor der Christmette als Freunde das Fest genießen konnten. Niemals habe ich Schweineinnereien im Kamin verbrannt, um die Umgebung mit Leichengestank zu verpesten.
Die Axt zur Trennung
Nie hätte ich Theophil körperlich erschlagen. Nur das Böse, diesen elenden Streit wollte ich endlich tilgen, mit der tugendhaften Axt das Böse vom Guten trennen. Er kennt die Bedeutung der Axt als Metapher.
Trotzdem stellt er mich als Mörder und Gewaltmensch hin. Häscher, die in meinem Auftrag auf Menschenjagd gehen, gibt es keine. Es wird sie auch nicht geben. Nun scheitert die Freundschaft am Verrat seiner Flucht. Jetzt lässt er mich zurück in meiner Verzweiflung. Sie fragt in höchster Qual: Warum?